26.09.22 Videospielsucht - auf den ersten Blick mag es einigen vielleicht komisch vorkommen, aber genauso wie Alkohol und Zigaretten kann auch übermäßiger Spaß an Fortnite und Animal Crossing irgendwann süchtig machen. Unsere Autorin Daphne erklärt warum und gibt Euch Tipps für einen besseren Umgang.
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Das steht in enger Verbindung mit Dopamin. Dopamin ist ein wichtiger Neurotransmitter; also ein Botenstoff, den unser Gehirn braucht, damit unsere Nervenzellen miteinander kommunizieren können. Dopamin gibt uns ein Glücksgefühl, das uns für unsere Erfolge belohnt. Das motiviert uns auf diese Erfolge hinzuarbeiten. Zum Beispiel lernen wir ein Instrument spielen auch wenn unsere ersten Versuche scheitern, oder versuchen unseren Liegestütz-Rekord zu knacken.
Im Gegensatz zum Alltag, in dem wir häufig lange durchhalten müssen, erleben wir in Videospielen ständig Erfolge. Wir gewinnen eine Schlacht, lösen ein Rätsel oder erreichen den nächsten Meilenstein. Spielen wir zu viel, gewöhnt sich unser Gehirn an das Dopamin. Um das Glücksgefühl wieder zu bekommen, müssen wir jetzt länger spielen. Von Mal zu Mal brauchen wir mehr, und es kann eine Sucht entstehen.
Bin ich betroffen?
Nur, weil Du gerne und viel zockst, muss das noch lange nicht bedeuten, dass Du auch süchtig danach bist. Wie so häufig gilt auch hier: Die Menge macht das Gift. Woran merkst Du also, dass es zu viel ist? Hierdrauf gibt die Weltgesundheitsorganisation eine Antwort und nennt im ICD11, dem wichtigsten Klassifikationssystem für medizinische Diagnosen, drei Kriterien für Videospielsucht:
1. Du hast weniger Kontrolle über Dein Spielverhalten. Das könnte so aussehen: Du möchtest eigentlich nur mal reinschauen und startest das Spiel. “Nur noch diese Quest, dann höre ich auf!” Doch irgendwann schaust Du auf die Uhr und stellst fest, dass Stunden vergangen sind, ohne, dass Du es überhaupt gemerkt hast.
2. Das Spielen nimmt eine immer größere Rolle in Deinem Leben ein. So groß, dass andere Dinge immer weniger Raum bekommen. Aktivitäten, die Dir sonst Spaß gemacht haben, reizen Dich immer weniger. Auch Deine Freund:innen siehst Du seltener und Dich beschleicht manchmal das Gefühl, etwas zu verpassen. Vielleicht fühlst Du Dich manchmal einsam.
3. Du spielst, obwohl Du gerade eigentlich etwas anderes tun möchtest. Das könnte Deine Müdigkeit sein, die Du ignorierst, das Geschenk für Deine Freundin, dass Du eigentlich noch Last-Minute besorgen wolltest, oder eine wichtige Klassenarbeit, für die Du lieber noch etwas Stoff wiederholen solltest.
Überlege mal: Meidest Du es, darüber zu sprechen, wie viel Zeit Du eigentlich wirklich vor dem Bildschirm verbringst? Kreisen Deine Gedanken ständig ums Spielen - auch, wenn Du gerade eigentlich etwas anderes tust? Oder macht Dich der Gedanke daran, länger nicht zocken zu können, nervös? Das können Anzeichen dafür sein, dass Du unter einer Videospielsucht leidest.
Leben wie in der Steinzeit?
Klar, wer einmal an einem Bier nippt, ist nicht gleich süchtig. Doch Alkoholiker:innen, die trocken werden möchten, sollten wohl lieber einen möglichst großen Bogen darum machen. Denn bei ihnen könnte schon eine kleine Ausnahme dazu führen, dass sie ihre Pläne über Bord werfen und wieder mit dem Trinken anfangen.
Schuld daran ist das Suchtgedächtnis. Unser Gehirn koppelt die Glücksgefühle an die Dinge, nach denen wir süchtig sind. Deswegen werden Alkoholiker:innen immer an Alkohol denken, wenn es ihnen nicht gut geht. Und Videospielsüchtige eben an Videospiele.
Um Videospiele einen Bogen zu machen, ist aber gar nicht so einfach. Ständig müssen wir an unseren Computer oder unser Handy. Für die Schule, fürs Online-Banking oder -Shopping, oder, um uns mit unseren Freund:innen zu verabreden. Mittlerweile ist es für die Meisten von uns so gut wie unmöglich, auf unsere Geräte zu verzichten. Und das ist für Videospielsüchtige richtig schwierig. Schließlich ist das Glücksgefühl, dem sie hinterherjagen, nur ein paar Klicks entfernt.
Was tun?
Keine Sorge, es gibt zum Glück einige Tricks, mit denen Du Dich vor einem Rückfall schützen kannst.
Als Erstes solltest Du Deine Spielzeit reduzieren. Vielleicht setzt Du Dir auch Regeln, wie: kein Role Play mehr, kein Jump ‘n’ Run - was auch immer für Dich funktioniert.
Es lohnt sich, die Autostart-Funktion von Steam und Co. zu deaktivieren. Dann kommst Du nicht jedes Mal in Versuchung, wenn Du eigentlich nur etwas recherchieren wolltest. Wenn Du Dich bereit dazu fühlst, kannst Du Steam auch für eine Weile deinstallieren.
Hol Dir den Support, den Du verdienst!
In jedem Fall lohnt es sich, sich Unterstützung zu fragen. Vertraue Dich Deinen Liebsten an und ziehe in Betracht, Dir von Expert:innen helfen zu lassen.
Über den Fachverband für Medienabhängigkeit findest Du eine Liste mit Beratungsstellen, die Dir weiterhelfen können. Ansonsten kann auch eine übergeordnete Suchtberatung eine gute Anlaufstelle sein.
Auf ins-netz-gehen findest Du einen anonymen Selbsttest, nachdem Du die Möglichkeit hast, kostenlos Hilfe zu bekommen.
Fällt es Deiner Familie schwer, Deinen Alltag umzustrukturieren, oder habt Ihr das Gefühl, in einer Sackgasse zu stecken, kannst Du gemeinsam mit ihnen oder anderen Erziehungspersonen Jugendhilfe beim Jugendamt beantragen. Dort kann man Dich bei praktischen Aufgaben unterstützen. Wenn Du volljährig bist, kannst Du das auch selbstständig tun.
In einer Therapie lernst Du, Deine Bedürfnisse hinter der Videospielsucht besser zu verstehen. Dadurch, dass eine Videospielsucht andere Bereiche Deines Lebens zurückdrängt, können Begleiterkrankungen entstehen. Klassische Beispiele dafür sind soziale Ängste oder ein geringes Selbstwertgefühl. Es lohnt sich also, frühzeitig zur Therapie zu gehen, damit sich Deine Situation nicht verschlimmert.
Hast Du das Bedürfnis, die Notbremse zu ziehen? Dann kannst Du Dich auch auf eine Warteliste für die Reha setzen oder zu einer psychiatrischen Klinik gehen. Dort bekommst Du akute Hilfe mit Deinen psychischen Problemen.
Wichtig ist, dass Du nicht alleine mit Deiner Sucht fertig werden musst. Unterstützung kann ein Neustart sein. Schon viele vor Dir haben es so aus ihrer Sucht rausgeschafft.
Quellen
Daniel Illy & Jakob Florack (2018): Ratgeber Videospiel- und Internetabhängigkeit. Hilfe für den Alltag. 1. Auflage
Gamers Health: Computerspiel-Abhängigkeit